Hiroshima, 18.10.2009

Heute ist ein wunderschöner Tag in Hiroshima und Umgebung. Die wenigen Wolken, die am Morgen Teile des Himmels bedecken, lösen sich mit der Zeit auf und es ist etwa 24°C warm. Ich habe viel Zeit, da die Besichtigungstour erst spät beginnt. Ich schlafe etwas länger, gehe zum nahen Bahnhof, um mir für meine morgige Zugfahrt einen Platz zu reservieren, und spaziere anschließend durch das sonntägliche Hiroshima, in dem fast alle Geschäfte geöffnet haben.

Um 10:30 Uhr werde ich schließlich zusammen mit einigen anderen Gästen in der Lobby meines Hotels abgeholt. Wir steigen alle in einen Bus, holen weitere Teilnehmer aus einem anderen Hotel ab und fahren aus der Stadt hinaus auf eine Autobahn. Nach insgesamt einer knappen Stunde erreichen wir eine kleine Küstenstadt, in der wir eine Fähre besteigen, die uns auf die Insel Miyajima bringt. Bereits auf der Überfahrt sieht man von Weitem eines der berühmten Ansichtskartenmotive Japans, das "schwebende Torii", das den Eingang zum Itsukushima-Schrein markiert. Wenn nicht gerade Ebbe ist, steht es mitten im Wasser. Im Augenblick ist der Wasserstand hoch genug, um es vermeintlich im Wasser schweben zu sehen. Es stammt aus dem Jahr 1875 und ist die achte Version des Tores, das im 12. Jahrhundert erstmals hier errichtet wurde. Ebenfalls aus dem 12. Jahrhundert stammt der Schrein selbst. Er wurde anstelle eines Schreins aus dem 6. Jahrhundert errichtet. Zwei Originalgebäude sind sogar noch erhalten, die anderen Bauten sind Rekonstruktionen jüngeren Datums. Zwar ist hier wieder das übliche Gebäudeensemble eines Shinto-Schreins vorhanden, es ist jedoch bemerkenswert, dass die Gebäude rot gestrichen sind. Die Farbe soll böse Geister fernhalten. An einer Stelle innerhalb des Schreins hat man das berühmte Postkartenpanorama mit dem Torii in der Mitte. Auch ich muss es selbstverständlich auf meine Speicherkarte bannen. Es ist wahrhaftig ein einzigartig faszinierender Anblick. Außer dem Schrein selbst sehen wir einen schönen Pavillon und eine fünfstöckige Pagode sowie einen Park voller japanischer Ahornbäume. Fast alle Blätter sind noch grün, nur wenige Bäume beginnen schon, ihr rostrotes Herbstkleid anzulegen.

Itsukushima-Schrein Itsukushima-Schrein Itsukushima-Schrein
Itsukushima-Schrein Itsukushima-Schrein Itsukushima-Schrein

Der Itsukushima-Schrein in Miyajima.

Im Anschluss gibt es 50 Minuten Zeit zur freien Verfügung, in der man durch eine belebte Straße voller Geschäfte und Restaurants schlendern, oder das eine oder andere Foto schießen kann, ständig auf der Hut vor den überall frei herumlaufenden zahmen Rehen, die den Touristen in unbedachten Momenten Papiere und andere Gegenstände aus der Hand reißen und fressen.

Herbstlicher Park Pagode

Links: Herbstlicher Park. Rechts: Fünfstöckige Pagode.

Um 14:15 Uhr trifft sich die Gruppe samt Reiseleiter wieder an der Fährstation. Zehn Minuten später setzen wir auf die Insel Honshu über und steigen wieder in den Bus. Wir fahren zurück nach Hiroshima, um sehr sehenswerte, wenn auch ziemlich beklemmende Dinge zu besichtigen. Unser Ziel ist der Friedenspark. Hier stand einst ein dicht besiedeltes Viertel Hiroshimas, bevor am 6.8.1945 um 8:15 Uhr in 600 Metern Höhe die Atombombe detonierte. Das Hypozentrum lag fast exakt über dem heutigen, weiträumigen Park. Die ehemalige Industrie- und Handelskammer blieb seltsamerweise als einziges Gebäude weit und breit stehen, vermutlich weil das Bronzedach so schnell schmolz, dass das Gebäude offen war und so der Druckwelle besser standhielt. Heute wird die Ruine, die als Mahnmal unter Denkmalschutz steht und UNESCO-Weltkulturerbe ist, als "Atombomben-Dom" bezeichnet.

Im Friedenspark Im Friedenspark Im Friedenspark
Im Friedenspark Im Friedenspark Im Friedenspark

Im Friedenspark. Oben links: Atombomben-Dom. Oben mitte: Friedensglocke. Oben rechts: Aschenhügel. Unten links: Kinder-Friedensdenkmal. Unten mitte: Kenotaph mit Friedensflamme und Atombomben-Dom im Hintergrund. Unten rechts: Museum.

Im Park kann man die Friedensglocke läuten, auf der eine Weltkarte ohne Grenzen abgebildet ist. Ferner sieht man einen grasbewachsenen Hügel, der aus der Asche der Opfer errichtet worden ist. Ein hohes Denkmal erinnert an ein Mädchen, das als Folge der radioaktiven Strahlung an Leukämie erkrankt ist, an die Legende geglaubt hat, durch das Falten von 1000 Papierkranichen einen Wunsch erfüllt zu bekommen (in diesem Fall natürlich, gesund zu werden), und später dennoch im Alter von zwölf Jahren gestorben ist. Seit der Errichtung des Denkmals schicken Schulklassen aus aller Welt gefaltete Papierkraniche hierher. Sie werden in kleinen Häuschen neben dem Denkmal ausgestellt. Auf der Hauptachse des Parks brennt die Friedensflamme, die erst gelöscht werden soll, wenn es auf der Welt keine Atomwaffen mehr gibt, dahinter steht ein Kenotaph, in dessen Inneren die Namen aller Opfer verzeichnet sind und ein Stück weiter steht das große Friedensmuseum. In ihm befindet sich eine Ausstellung über die Geschichte Hiroshimas vor und nach der Atombombenexplosion, und eine weitere über die Herstellung und Wirkungsweise der Atombombe. Darüber hinaus wird eine Sammlung erschütternder Exponate gezeigt, die unmittelbar die Wirkung der Bombe zeigen, zum Beispiel eine halb geschmolzene Buddhastatue, die Frühstücksdose eines Schulkindes mit völlig verkohltem Inhalt, zusammengeschmolzene Gläser und Porzellantassen, Kleidungsstücke von Opfern und vieles andere mehr. Als das beklemmendste Ausstellungsstück empfinde ich ein Stück einer Steintreppe, die einmal zum Eingang einer Bank führte. Auf ihr ist ein dunkler Fleck zu sehen. Der Fleck stammt von einem Menschen, der zufällig während der Explosion auf der Treppe saß und von der mehrere Tausend Grad heißen Hitzewelle getroffen wurde. Der Stein der Treppe wurde ausgebleicht, der Mensch verdampfte, aber "schützte" durch seine Anwesenheit ein Stück der Treppe davor, ebenfalls auszubleichen und hinterließ so seinen Schatten.

Zum Thema solch einer Ausstellung können einem eigentlich nur zwei Worte einfallen: "Nie wieder!" Mit dieser schrecklichen und lehrreichen Ausstellung endet unser Tagesprogramm. Mit dem Bus fahren wir wieder zu den Hotels zurück und verabschieden uns. Inzwischen ist es dunkel. Ich mache nur fünf Minuten Pause im Hotel und begebe mich dann auf die Suche nach einem Restaurant, in dem ich eine Spezialität der Gegend hier essen kann: Gebratenen Aal. Der zweite Stock eines Einkaufszentrums ist eine "Restaurantetage". Dort finde ich ein passendes Lokal. Zu dem Aal gibt es Reis, eine Miso-Suppe und zwei Arten eingelegten Rettich. Das Essen ist gut und mit 1050 Yen preiswert. Nach dem Essen gehe ich etwas spazieren und besorge mir zum Abschluss des Tages in einem Supermarkt zwei Yebisu Premium Pilsener, damit die Minibar im Hotelzimmer kurzzeitig mal richtig voll wird.