Koyasan, 15.10.2009

Heute zeigt sich das Wetter von seiner allerbesten Seite. Kaum ein Wölkchen trübt den strahlend blauen Himmel und es ist am Morgen schon über 20°C warm in Osaka. Ich begebe mich zunächst mit meinem Koffer zum Gepäckservice des Hotels, um diesen zu meinem übernächsten Ziel, dem Hotel Nikko in Himeji schicken zu lassen. Ich muss ein Formular ausfüllen und 1700 Yen bezahlen, danach bleibt mir nur die Hoffnung auf ein Wiedersehen übermorgen. Lediglich mit meiner Reisetasche versehen, checke ich aus, fahre mit der Loop Line nach Shin Imamiya und wechsele dort die Eisenbahngesellschaft. Für 2780 Yen bekomme ich an einem Schalter der Nankai Electric Railway Company ein Ticket nach Koyasan und zurück, ein Busticket für zwei Tage, Coupons für Eintrittspreisermäßigungen in manchen Tempeln und Museen sowie Rabattmarken für bestimmte Souvenirgeschäfte. Nach dem Ticketkauf kommt schon bald ein Expresszug, der in Richtung Koyasan fährt. Den Namen "Express" verdient er am Anfang durchaus, als wir jedoch Hashimoto, die vorletzte große Station passiert haben, hält er an vielen kleinen Stationen. Nachdem wir bis Hashimoto durch flaches Gelände gefahren sind, führt uns die Reise nun in die Berge. Als nach etwa eindreiviertel Stunden endlich alle Bummelzugstationen abgegrast sind, erreichen wir die Endstation Gokurakubashi. Hier muss ich mit vielen anderen Fahrgästen in eine Seilbahn umsteigen. Als ich das große Gefährt betreten habe, sinkt der Altersdurchschnitt im Inneren unter 75 Jahre.

Die Fahrt dauert etwa fünf Minuten. Oben stehen Busse bereit, die nach Koyasan fahren. Es gibt insgesamt drei Linien. Der prallvolle Bus, den ich besteige, quält sich langsam über eine Serpentinenstraße bis in den Ort. Fast genau vor dem Eingang meiner Unterkunft befindet sich eine Haltestelle. Ich muss nur eine Auffahrt hinauf gehen und befinde mich dann auf dem Gelände des Klosters Fudo-in. Zu dem Kloster gehört ein von den Mönchen geführtes Ryokan, in dem ich die nächste Nacht in einem Tatamizimmer verbringen werde. Ein freundlicher Mönch empfängt mich, führt mich zu meinem Zimmer, übergibt mir den Schlüssel und klärt die Eckdaten ab: Abendessen bekomme ich um 18:00 Uhr. Ich darf wählen, ob ich vorher oder danach das öffentliche Bad benutzen will (nachher), und welches Getränk ich zum Essen wünsche (Wasser, ich kann mich benehmen, zumindest manchmal). Ferner werde ich gefragt, ob ich morgen um 7:00 Uhr an einer buddhistischen Zeremonie teilnehmen will (ja, wenn man schon mal im Kloster übernachtet) und ob ich das Frühstück vorher oder nachher einnehmen möchte (nachher). Damit ist erst einmal alles geklärt und ich bin alleine. Nach einer kurzen Pause im schönen, aber für meinen Geschmack leider ziemlich kalten Tatamizimmer, breche ich auf, um Koyasan zu besichtigen. Der Ort ist eine heilige Stätte für die Shingon-Buddhisten, daher reiht sich hier ein Kloster an das andere. Sie sind alle sehr schön und befinden sich in einer stimmungsvollen herbstlichen Berglandschaft bei wolkenlosem Himmel. Das alles erinnert mich etwas an meine Aufenthalte in Wutaishan in der chinesischen Shanxi-Provinz 1999 und 2002.

Impressionen vom Koyasan Impressionen vom Koyasan Impressionen vom Koyasan Impressionen vom Koyasan
Impressionen vom Koyasan Impressionen vom Koyasan Impressionen vom Koyasan

Impressionen vom Koyasan.

Ich begebe mich, einige Klöster besichtigend, erst nach Westen, bis ich zum Daimon, dem großen Eingangstor komme, dann gehe ich auf einem geringfügig anderen Weg wieder zurück, um weitere Klöster zu sehen. Als ich wieder am Fudo-in ankomme, wende ich mich nach Osten. Nach einigen weiteren Klöstern kommt man mitten in einen dichten Wald, der einen riesigen buddhistischen Friedhof beherbergt. Viele Tausende Grabstätten reihen sich hier aneinander, vom einfachen kleinen Stein bis hin zu großen marmornen Monumenten mit mehreren Grabsteinen und Statuen. Nach einem guten Kilometer endet der Friedhof an einem großen Mausoleum. Dieser Waldfriedhof ist fast noch faszinierender als die Klöster. Nach etwa dreieinhalb Stunden gründlicher Besichtigung von Koyasan kehre ich in meine Herberge zurück, um im leider nach wie vor sehr kalten Tatamizimmer Tee zu trinken und auf das vegetarische Abendessen zu warten. Das Zimmer hat eine Klimaanlage und ich versuche, durch geschickte Temperaturwahl das Ding zum Heizen zu bewegen. Es funktioniert tatsächlich. Somit ist das Kälteproblem gelöst.

Waldfriedhof Waldfriedhof Waldfriedhof
Im Fudo-in Im Fudo-in

Oben: Der Waldfriedhof. Unten: Tatami-Zimmer im Fudo-in.

Um 18:00 Uhr gibt es Abendessen. Hier wird es nicht im Zimmer serviert, sondern für jedes Zimmer gibt es ein separates Speisetatamizimmer in einem Nebengebäude, jeweils mit einem Heizlüfter ausgestattet. Man serviert mir Reis, eine Miso-Suppe, Udon-Nudelsuppe, Tempura aus verschiedenen Gemüsesorten, unter anderem sogar eine Kartoffelscheibe, Tofu in einer Sojasauce, zwei verschiedene Salate, einige weitere, jeweils auf verschiedene Arten zubereitete Tofu-Spezialitäten, schwarze, fermentierte Sojabohnen, die wie Oliven aussehen, eingelegten grünen und roten Rettich und zwei Granatapfelscheiben. Dazu gibt es Tee und das vorbestellte Mineralwasser. Das Essen schmeckt sehr gut, es geht auch mal ohne Fisch. Als ich ins Zimmer zurückkomme, ist das Lager für die Nacht schon gerichtet. Um 19:00 Uhr werde ich, zusammen mit den anderen Gästen, zum Bad gerufen. Zum Glück sind nur drei Zimmer belegt. Hier gibt es kein Bad im Zimmer (lediglich ein Waschbecken und eine Toilette), sondern ausschließlich ein Onsen, wie üblich nach Geschlechtern getrennt. Man kommt im Yukata, bewaffnet mit einem Badetuch an. In einem Vorraum stehen viele Körbe, man greift sich einen davon. Man muss sich ganz ausziehen, Tricks, wie zum Beispiel Badetuch umbinden, sind verpönt. Am Rand des eigentlichen Baderaumes befinden sich Duschen mit Hockern davor. Jede Dusche hat einen Seifen- und einen Shampoospender. Hier wäscht man sich erst einmal gründlich und spült sich danach gründlich ab, so dass man keine Seifen- oder Shampooreste mehr an sich hat, das wäre ein schlimmer Verstoß gegen die Etikette. Dann schließlich steigt man in ein großes Becken mit heißem Wasser. Hier ist es vermutlich Bad Leitungsheimer Mineralbrunnen, an manchen Orten, wie in Hakone, kommt es aus heißen vulkanischen Quellen. Das Liegen im Wasser ist sehr entspannend und zum Glück ist es, wie schon erwähnt, nicht so voll. Mehr als fünf Leute hätten in dem Becken hier auch keinen Platz.

So kann man den Tag ruhig und gelassen ausklingen lassen, denn draußen dürfte in dem kleinen Ort ohnehin nichts mehr los sein. Ich muss darüber hinaus zeitig aufstehen, denn ich will schließlich um 7:00 Uhr bei der buddhistischen Zeremonie frisch und munter sein.