Nagoya, 10.10.2009

Das Wetter in Hakone ist heute Morgen trüb und ziemlich kühl. Es gibt in der Gegend zwar einige Sehenswürdigkeiten, aber nichts davon interessiert mich wirklich brennend und ich wüsste obendrein nicht so genau, wie ich dorthin gelangen könnte. Ich lasse es also erst einmal ruhig angehen, checke kurz nach 9:30 Uhr im Hotel aus und gehe dann mit meinem Gepäck etwa 200 Meter bis zur Bushaltestelle. Schon bald kommt ein Bus, der zum Bahnhof von Odawara fährt. Ich ziehe ein Ticket und will es, wie aus Deutschland gewohnt, gleich bezahlen, erfahre aber, dass man hierzulande beim Aussteigen bezahlt. Auf dem Ticket steht eine Nummer, unter der man auf einer Anzeigetafel oberhalb des Fahrers den aktuellen Fahrpreis ablesen kann.

Kaum sitze ich im Wagen, beginnt es zu regnen. Der Bus fährt zunächst auf gewundenen Straßen durch die Dörfer, dann wird die Gegend allmählich flacher und dichter besiedelt. Nach knapp 40 Minuten erreichen wir die Endstation, den östlichen Eingang des Bahnhofes von Odawara. Ich muss zunächst den Bahnhof komplett durchqueren (er ist erheblich größer als der Kölner Hauptbahnhof) bis ich zu dem Bereich komme, der für die Shinkansen-Superexpresszüge vorgesehen ist. Hier gibt es wieder Durchgangsschleusen mit Schlitzen für die Tickets und Chiplesern für die Dauerkarten. Ich kann beides nicht bieten, denn ab heute gilt mein Japan Rail Pass. Damit kommt man zwar nicht durch die Schleusen, aber links daneben gibt es einen Schalter für Rollstuhlfahrer, Fahrgäste mit sperrigen Gegenständen und eben Leute wie mich, die zwar zur Fahrt berechtigt sind, aber kein maschinenlesbares Ticket haben. Ich zeige den Pass vor und werde gleich durchgelassen.

Die Beschilderung ist ausgezeichnet. Man sieht sofort, welche Waggons nur mit Reservierung betreten werden dürfen, an welcher Stelle welcher Waggon (auf den Zentimeter genau) hält und wo man sich anzustellen hat. Chaos ist hier verpönt. Es wird immer eine ordentliche Reihe innerhalb der auf dem Boden markierten Bereiche gebildet. Auch die Abfahrtszeiten sind in Stein gemeißelt. Steht dort "10:37", dann fährt der Zug um 10:37 Uhr. Zeigt die Uhr etwas anderes an, ist es höchste Zeit, diese endlich wieder richtig zu stellen. Die durchschnittliche Verspätung, die ein Shinkansen auf seiner langen Fahrt durch Japan ansammelt, liegt bei sechs Sekunden. Über Odawara fahren drei Arten von Shinkansen-Zügen, der Kodama ("Echo"), der Hikari ("Licht") und der Nozomi ("Wunsch"). Der Nozomi ist der schnellste Zug, hält jedoch nur in sehr wenigen Bahnhöfen und mein Japan Rail Pass gilt nicht für ihn. Der Hikari hält fast nur in großen Städten, also nur selten in Odawara, der Kodama ist der langsamste, weil er an jedem Shinkansen-Bahnhof hält. Ich fahre mit dem Kodama Nr. 645, der nach Osaka fährt. Die Beinfreiheit ist enorm und ich finde sogar ein Plätzchen, an dem mein großer Koffer niemanden belästigt.

Die zwei Stunden und sieben Minuten dauernde Fahrt (ein Hikari hätte eine Stunde weniger gebraucht) führt zunächst durch eine Gebirgslandschaft, dann wird es immer flacher und wir durchqueren viele Industriegebiete. Je flacher die Gegend wird, desto besser wird das Wetter. Um 12:44 Uhr komme ich, bei fast wolkenlosem Himmel und etwa 25°C in Nagoya an. Im Bahnhofsgebäude muss wieder eine Schleuse durchquert werden, und wie in Odawara (und vermutlich allen Shinkansen-Bahnhöfen) gibt es daneben einen speziellen Schalter, an dem ich mit meinem Sonderpass durchgelassen werde.

Zum Glück ist mein Ziel, das Associa Terminal Hotel, gut ausgeschildert. Der Eingang befindet sich direkt im Bahnhof. Der Check-in ist schnell erledigt und ich kann auf mein Zimmer gehen. Ich habe zum allerersten Mal auf meinen Asien-Urlauben ein Einbettzimmer, und, vom wieder einmal winzigen Bad abgesehen, ist es sogar relativ geräumig.

Stadtansicht von Nagoya Stadtansicht von Nagoya Deutsche Kneipe

Rechts: Deutsche Kneipe Gengenbach. Andere Bilder: Hochhäuser in Nagoya.

Ich mache zuerst einmal eine längere Pause, danach gehe ich nach draußen, um die Infrastruktur zu erkunden. Ich spaziere vom Bahnhof aus einige Zeit in verschiedenen Richtungen, aber die Ausbeute der mehr als einstündigen Expedition ist ein nicht besonders einladend aussehendes Restaurant und ein Supermarkt, sonst nur Bürotürme und Kaufhäuser. Ich bin schon etwas frustriert, als ich kurz vor der Rückkehr ins Hotel stehe, da sehe ich die Rettung. Unweit meines Hotels geht der Bahnhof in ein sechsstöckiges Kaufhaus über. Über dem Kaufhaus, so weist es ein Schild aus, befindet sich eine "Restaurantetage". Ich fahre mit einem Aufzug hinauf, und in der Tat reiht sich hier ein Restaurant an das andere. Sushi, Sashimi, Ramen, Tempura und vieles andere ist im Angebot. Hier werde ich später mit Sicherheit etwas Gutes finden. Ich fahre wieder nach unten und mache eine Erkundungstour durch den Bahnhof. Er reicht zwar nicht an die Shinjuku Station heran, aber sehr viel kleiner und schlechter ausgestattet ist er nicht. In einem Untergeschoss, nahe dem Eingang zu einer U-Bahn-Linie, finde ich einen Supermarkt, in dem ich für später zwei Kirin Tanrei mitnehme. Die Dosen tragen die Aufschrift "Brewed for a good time". Das passt doch!

Ich gehe den kurzen Weg zurück in mein Hotel und mache dort erst einmal Pause. Kurz nach 18:00 Uhr begebe ich mich dann in die Restaurantetage. Ich betrete ein Restaurant, das mit einer Nachbildung eines Menüs für 1400 Yen wirbt, das appetitlich aussieht. Die Speisekarte ist rein japanisch, ich zeige also vorsichtshalber auf das Tablett in der Auslage. Ich bekomme eine Miso-Suppe, eine Schale Reis, Tempura, also Fisch und Gemüse im Teigmantel frittiert, rohen Fisch mit Seetang und Wasabi-Paste, Entenfleisch, das in Folie gegrillt wurde, Krautsalat mit einer roten Ingwerwurzel, ein weißes schaumiges Zeug, das aus Rettich hergestellt wird, gelben und roten eingelegten Ingwer und ein warmes Gelee aus Sojabohnenquark und Eiklar mit etwas Fleisch, kleinen Shrimps und Gemüsestückchen. Als Getränk gibt es grünen Tee.

Bei diesen Schilderungen der Gerichte sollte man erwähnen, dass die japanischen Portionen jeweils sehr klein sind. Von dem, was sich wie ein üppiges Festgelage anhört, werde ich satt, überessen kann man sich davon allerdings nicht gerade. Aber es schmeckt sehr gut und ist eigenständig, also mit nichts auch nur annähernd vergleichbar, was ich aus anderen asiatischen Ländern kenne. Nach diesem Essen lasse ich den Transfertag mit einem Abendspaziergang ausklingen und sehe dem morgigen Tag gelassen entgegen.