Takayama, 12.10.2009

Heute wird wieder der Japan Rail Pass genutzt. Ich checke kurz vor 9:30 Uhr in meinem Hotel aus, gehe den kurzen Weg zu dem Gleis, an dem der Limited Express "Hida" abfährt und steige in den kurz darauf ankommenden Zug ein. Die Fahrt dauert ungefähr zweieinhalb Stunden. Bei schönem Wetter fahren wir zunächst durch flaches Land mit Industrieanlagen, ab und zu fahren wir durch ländliche Gegenden mit Reisfeldern. Später wird es richtig bergig und die Reise führt durch ein enges Tal, immer an einem Gebirgsfluss entlang. Die Landschaft ist stellenweise außerordentlich schön. Etwa um 12:15 Uhr kommt der Zug in der kleinen Stadt Takayama an, meinem heutigen Ziel. Ich verlasse den Zug und sehe wenig später am Ausgang des Bahnhofes eine Tourismusinformationsstelle. Dort nehme ich mir einen deutschsprachigen Stadtplan mit. Direkt vor dem Bahnhof steige ich in ein Taxi und lasse mich zu meinem Ziel, dem Ryokan Tanabe fahren. Der Weg ist kurz, so dass es beim Grundtarif von 680 Yen bleibt.

Landschaft Landschaft

Landschaftseindrücke.

Im Ryokan begrüßt mich Frau Tanabe und teilt mir mit, dass das Zimmer leider erst um 14:00 Uhr bereitstehe, ich könne aber mein Gepäck einstweilen hier lassen. Sie zeichnet ihr Etablissement in meinen Stadtplan ein, und so kann ich mir die Zeit vertreiben, ohne Angst mich zu verlaufen. Ich spaziere durch die Altstadt von Takayama, die unter dem zweiten Weltkrieg nicht besonders stark gelitten hat. Es stehen noch einige Viertel mit Häusern aus dem 18.Jahrhundert, die sehr schön und behutsam renoviert wurden. Die Häuser beherbergen im Erdgeschoss meist Souvenirläden und Geschäfte für bestimmte Lebensmittel. In einer Straße befinden sich viele Geschäfte für Reiswein und -schnaps. Takayama ist für seinen Sake bekannt, der mit dem guten, reinen Gebirgswasser hergestellt wird.

Außer den Straßen mit den alten Häusern besichtige ich einen kleinen Shinto-Schrein auf einem Hügel, den Sugigatani-Shinmei-Schrein. Meine nächste Station ist das historische Regierungshaus, ein weiträumiger Komplex, der aus mehreren, mit Tatami-Matten ausgelegten Gebäuden und einem kleinen Garten besteht. Mein vorläufig letzter Besichtigungspunkt ist ein kleiner Tempel aus dem 8. Jahrhundert.

Ortsansicht von Takayama Ortsansicht von Takayama Ortsansicht von Takayama
Sugigatani-Shinmei-Schrein Regierungshaus Regierungshaus
Tempel aus der Nara-Zeit Tempel aus der Nara-Zeit

Oben: Ortsansichten in Takayama. Mitte links: Im Sugigatani-Shinmei-Schrein. Mitte mitte und rechts: Im historischen Regierungshaus. Unten: Ein Tempel aus der Nara-Zeit (8. Jahrhundert).

All dies ist schön auf engem Raum versammelt, so dass ich kurz nach 14:00 Uhr wieder im Ryokan ankomme. Frau Tanabe führt mich in mein Domizil. Ein Ryokan ist ein traditionelles japanisches Gästehaus, in dem die Zimmer mit Tatami-Matten ausgelegt sind. Abendessen und Frühstück sind im Preis inbegriffen, man isst auf beinlosen Stühlen an einem flachen Tisch. Gleich am Eingang des Ryokan zieht man die Schuhe aus und stellt sie in ein Schränkchen. Mein Tatami-Zimmer bietet zwar moderne Annehmlichkeiten wie Fernseher, Klimaanlage, westliches Bad und ebensolche Toilette, aber Frau Tanabe lässt es sich nicht nehmen, mir das Onsen, das öffentliche Bad des Hauses ausführlich zu zeigen und speziell ans Herz zu legen. Im Zimmer angekommen, werde ich gleich in die Verwendung des Yukata, der traditionellen Hauskleidung, eingewiesen. Als ich das Kleidungsstück anhabe, macht Frau Tanabe gleich ein Foto für das Familienalbum. Nachdem sie mir anschließend umfassend alle Einzelheiten des Zimmers gezeigt hat, muss ich mich mit gekreuzten Beinen auf einen der beinlosen Stühle setzen und bekomme einen grünen Tee sowie ein Plätzchen aus Sojabohnen serviert. Ich werde ferner gefragt, wann ich zwischen 18:00 Uhr und 19:00 Uhr zu Abend essen möchte. Ich wähle 18:30 Uhr.

Ryokan Tanabe Ryokan Tanabe Ryokan Tanabe
Ryokan Tanabe Ryokan Tanabe

Das Ryokan Tanabe. Unten links: Der Autor im Yukata. Unten rechts: Nachtlager auf dem Futon.

Als ich schließlich alleine bin, lege ich den Yukata wieder ab, nicht ohne mir zu merken, wie ich ihn einigermaßen stilvoll anziehen kann, weil ich Lust darauf habe, Takayama weiter zu erkunden. Es gibt ein zweites altes Stadtviertel, welches ich mir zuerst ansehe. Eines der alten Häuser, das Kusakabe-Haus, ist ein Museum. Im Erdgeschoss wird gezeigt, wie es wohl zu der Zeit, als das Haus ganz normal bewohnt war, hier ausgesehen hat, damit man sich eine Vorstellung von der traditionellen Wohnweise machen kann. Im oberen Stockwerk sind klassische Gebrauchsgegenstände, von Werkzeugen bis hin zu wertvollen Porzellangefäßen ausgestellt.

Kusakabe-Haus Kusakabe-Haus Betsuin-Tempel
Sakurayama-Hachimangu-Schrein Sakurayama-Hachimangu-Schrein

Oben links und mitte: Das Kusakabe-Haus. Oben rechts: Der Betsuin-Tempel. Unten: Der Sakurayama-Hachimangu-Schrein.

Meine nächste Station ist der shintoistische Sakurayama-Hachimangu-Schrein, in dem es wieder alles gibt, was einen Schrein ausmacht, Torii-Tore, einen überdachten Brunnen, einen Pferdestall und die Haupthalle. Damit auch die Buddhisten nicht zu kurz kommen, besichtige ich zu guter Letzt den Betsuin-Tempel, der, wie üblich, mit einer fünfstöckigen Pagode, einem Glockenturm, einem Räucherstäbchenbrenner und einer Haupthalle mit Buddhastatuen ausgestattet ist. Nach der kurzen Besichtigung des Tempels mache ich mich auf den Weg zurück in mein Gästehaus. Schließlich will ich ja den Kampf mit dem Yukata erfolgreich bestanden haben, ehe das Abendessen kommt. Das bin ich meiner Samurai-Ehre schuldig.

Ich glaube, das Ding sitzt ganz passabel, als das Essen kommt. Man bringt mir Reis, eine Miso-Suppe mit Muscheln, eine Nudelsuppe mit einer kleinen Scheibe Schweinefleisch, zwei Krebsscheren mit etwas Gemüse und Sauce, Sashimi, bestehend aus Thunfisch und einem anderen, mir unbekannten, ebenfalls dunkelroten Fisch, Tintenfisch, zwei weiteren Krebsteilen, Paprika, gehacktem Daikon-Rettich und etwas Salat plus Wasabi-Paste, zwei Stück gegrillte Makrele, einen gebratenen Fisch, der mit Gelee in Form eines herbstlich roten Ahornblatts garniert ist, eine Teigrolle mit einer dunkelbraunen Sauce, einen weißen, langen, sehr dünnen, etwas glibberig aussehenden Meeresbewohner mitsamt etwas weißem Rogen, eingelegten roten Rettich und ein Achtel einer Honigmelone. Dazu stellt man einen kleinen Grill auf den Tisch, auf dem ich mir drei Stücke Rindfleisch, Paprika, Zwiebeln, Karottenscheiben und, man lese und staune, ein kleines Wiener Würstchen garen kann. Als Getränke gibt es Wasser und einen kleinen, angenehm säuerlichen, roten Pflaumenwein. Das Essen schmeckt ausgezeichnet. Das Einzige, was den Genuss ein wenig beeinträchtigt, ist der ach so praktische und bequeme Yukata. Man muss beim Essen nämlich höllisch aufpassen, dass man mit den weiten Ärmeln nicht in der Reisschüssel, oder noch schlimmer, in der Sauce landet. Aber ich schaffe es irgendwie, mich nicht zu bekleckern.

Etwas mehr als eine Stunde, nachdem das Essen serviert wurde, werden die Reste abgetragen. Die Frau, die dies tut, fragt mich anschließend, wann ich frühstücken möchte. Ich antworte, dass ich dies um 8:00 Uhr zu tun gedenke. Wieder gibt es ca. 20 Minuten Pause, dann kommen zwei Frauen, schieben behände den Tisch und die beinlosen Stühle beiseite, breiten eine Futon genannte Matratze aus und richten das Bett für die Nacht. Danach habe ich Ruhe. Es bleibt nur zu hoffen, dass dieses ungewohnte Nachtlager bequem sein möge.