Tokyo, 5.10.2009

Für meinen ersten ganzen Tag in Tokyo ist eine Stadtbesichtigung geplant. Ich werde pünktlich um 7:45 Uhr in der Lobby meines Hotels abgeholt und zu einem Bus gebracht. Der Pick-up-Service bedient danach noch weitere Hotels und fährt dann zu einem großen Terminal. Dort steigen wir aus, und werden je nach Tour zu verschiedenen Schaltern gebeten. Am Schalter für die Stadttouren löse ich den Gutschein meiner Reiseagentur gegen ein Ticket für die "Cityrama Tour" ein, auf dem die Abfahrtsstelle und meine Sitzplatznummer vermerkt sind. Nach etwa einer Viertelstunde geht es los. Im Bus sitzen, außer dem Fahrer und unserer japanischen Reiseleiterin, etwa 25 Teilnehmer, drei aus Japan, die restlichen aus Europa und USA.

Wir fahren eine Weile durch die Stadt, während uns die Reiseleiterin pausenlos mit Fakten versieht, und können dabei dem lebhaften werktäglichen Stadtverkehr zusehen. Es geht ganz gut voran. Die Firmen haben alle keine Parkplätze und wer es sich überhaupt leisten kann, in Tokyo zu wohnen, muss einen Parkplatz nachweisen, bevor er oder sie ein Auto kaufen darf. Will man die Schnellstraßen benutzen, muss man darüber hinaus eine hohe Maut bezahlen. Die überwiegende Mehrheit der Leute fährt also mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Nach etwas über einer halben Stunde erreichen wir unsere erste Station, den Meiji-Schrein. Nachdem wir alle ausgestiegen sind, beginnt ein durchaus japanisch anmutendes Erlebnis. Unsere Reiseleiterin hat eine Stange, an deren Ende sie eine Pokémon-Figur gebunden hat. Damit hat sie ein Erkennungszeichen, wenn es in einer Menschenmenge unübersichtlich werden sollte. Unterstützung erfährt die Klischeepflege ausgerechnet aus dem Westen: Etwa die Hälfte der Teilnehmer entfällt auf eine Gruppe Jugendlicher aus den USA, die alle die gleichen, knallroten Kappen tragen. Das Wetter könnte etwas besser sein, es ist mit etwa 20°C ziemlich kühl, graue Wolken bedecken den Himmel und ab und zu tröpfelt es ein wenig.

Über eine Kiesstraße, die von vielen Zedernbäumen begrenzt wird, erreicht man durch zwei große hölzerne Eingangstore (auf japanisch Torii) den Schrein. Vor dem Betreten des Hauptschreins kann man sich in einem kleinen Pavillon rituell Hände und Mund reinigen. Die schlichte, unprätentiöse Anmut der großen, dunklen Holzgebäude und des kleinen Gartens mit Seerosenteich und Teehaus machen den Besuch in der Anlage, die Shinto-Heiligtum und kaiserliche Begräbnisstätte zugleich ist, zu einem interessanten Erlebnis. Nach der Besichtigung gehen wir wieder zurück zum Bus und fahren zu unserer zweiten Station, dem Kaiserpalast. Auf dem Weg zum Eingang durchquert man einen Park mit unzähligen Kiefernbäumen. Die Öffentlichkeit hat keinen Zugang zum Palast, nur zum östlichen Palastgarten, und dieser ist montags geschlossen. Und welchen Wochentag haben wir heute? Richtig, Montag! Aber der Blick auf die Nijubashi-Brücke, die zum Palasteingang führt, lohnt sich, und auch ein Stück des Palastes selbst ist zu erkennen.

Meiji-Schrein Meiji-Schrein
Am Kaiserpalast Am Kaiserpalast

Oben: Der Meiji-Schrein. Unten: Am Kaiserpalast.

Nach dem kurzen Besuch bei den gekrönten Häuptern geht die Busfahrt weiter. Wir durchqueren das Regierungsviertel und sehen unter anderem das Parlamentsgebäude. Danach fahren wir weiter zu unserer nächsten Station, dem Asakusa Kannon, auch Senso-ji-Tempel genannt. Kannon ist die japanische Übersetzung von Guan Yin, dem weiblichen, Gnade spendenden Aspekt Buddhas. Der bedeutendste buddhistische Tempel Tokyos ist schon etwa 1400 Jahre alt, die Gebäude, die man heute sieht, sind allerdings originalgetreue Nachbauten der im zweiten Weltkrieg zerstörten Vorgänger. Die Haupthalle wird gerade renoviert, kann aber dennoch besichtigt werden. Vor der Halle befindet sich, wie ich das schon aus China kenne, ein großes Gefäß zum Abbrennen von Räucherstäbchen. Die besondere Spezialität hier ist, dass sich die Leute den Rauch zufächeln, weil dies Gesundheit und Glück bringen soll. Eine weitere Attraktion ist die Straße, die auf den Tempel zu führt. In ihr reihen sich unzählige kleine Souvenirgeschäfte aneinander. Unter anderem gibt es traditionelle Schwerter. Ob hier wohl ein Original "Hattori Hanzo" zu haben ist?

Am Senso-ji Am Senso-ji Am Senso-ji
Am Senso-ji Am Senso-ji Auf der Ginza

Unten rechts: Auf der Ginza. Alle anderen Bilder: Am Tempel Senso-ji.

Mit der sehr interessanten Besichtigung des Tempels und seiner Peripherie endet das Programm und wir werden zur letzten Station, der Einkaufsstraße Ginza gefahren. Nachdem sich die Reiseleiterin bei jedem Einzelnen versichert hat, dass er oder sie sich die selbstständige Rückkehr ins jeweilige Hotel zutraut, wird die Veranstaltung aufgelöst und ich bin auf mich selbst gestellt. Ich treibe mich zunächst lange in der Einkaufsmeile mit ihren großen Kaufhäusern, Designermodegeschäften und Werbebildschirmen herum, dann werde ich langsam müde und muss die mehrere Kilometer weite Rückkehr ins Hotel antreten. Ich will einmal die U-Bahn ausprobieren. Trotz der unglaublich vielen Stationen, Linien und Tarifzonen empfinde ich die Orientierung als recht einfach. Jede Linie ist auf allen Plänen jeweils mit der gleichen Farbe eingetragen und hat einen Namen, der fast überall auf Japanisch und Englisch angeschrieben ist. Die Stationen sind alle durchnummeriert und diese Nummerierung wird, zusammen mit den Stationsnamen, konsequent überall verwendet. Ich muss mit der roten Linie (Marunouchi) von hier (M16) bis zur Shinjuku Station (M8) fahren. Ich finde heraus, dass ich einen der Fahrkartenautomaten mit 190 Yen füttern muss, lerne durch Zusehen, wie das Entwerten des Tickets an den Eingängen zu den Bahnsteigen funktioniert und finde schnell den richtigen Bahnsteig. Um diese Zeit ist die Bahn nicht besonders voll, kurz und gut, die Wahl des Verkehrsmittels ist perfekt. Von der riesigen Shinjuku Station aus sind es etwa 10 Minuten Fußweg zu meinem Hotel.

Nach einer kurzen Pause möchte ich etwas weiter die Gegend erkunden, aber leider beginnt es ziemlich kräftig zu regnen. Das bedeutet im äußerst sauberen und ordentlichen Tokyo zwar keine solche Tortur wie in den meisten anderen asiatischen Städten, die ich kenne (hier gibt es richtige Bürgersteige und man hält sich an die Verkehrsregeln!), aber Spaß macht es trotzdem nicht. Ich blase die Tour also ab und vertreibe mir im Hotel ein bisschen die Zeit, bis es 18:00 Uhr ist und mein Magen knurrt.

Pachinko Bizarre Spielhalle

Links: Pachinko. Rechts: Bizarre Spielhalle.

Leider regnet es nach wie vor, aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Etwa 500 Meter von meinem Hotel entfernt, in einer Seitenstraße der Koshu Kaido, gibt es zahlreiche Geschäfte, Pachinko-Hallen und kleine Restaurants. Ich gehe in eine Sushi-Bar. Sie sieht im Inneren so aus, wie man es sich vorstellt, in der Mitte arbeiten die Köche, um ihren Bereich herum läuft das Fließband und außen um dieses herum sitzen die Gäste. Es gibt Teller in vier verschiedenen Farben und Dekors, welche jeweils den Preis des Gerichtes anzeigen. Von selbst kommen aber fast nur Gerichte auf blauen Tellern (also der untersten Preiskategorie für je 150 Yen), die teureren können auf Zuruf bestellt werden. Ich nehme insgesamt 10 Gerichte zu 150 Yen mit Lachs, Thunfisch, Garnelen, Tofu, einer Austernart und weiteren Fischarten, die ich nicht zuordnen kann. Wasabi wird von den Köchen dosiert, Ingwer und Sauce kann man sich jeweils aus Behältern, die am Platz stehen, nehmen. Ich bestelle dazu ein Asahi vom Fass.

Das Essen ist außerordentlich gut. Sicher, Sushi-Bars gibt es auch in Deutschland, aber hier ist alles einen Tick frischer, raffinierter zubereitet und besser gewürzt. Und 2000 Yen für zehn Sushi-Gerichte und ein Bier ist ein guter Preis. Nach dem leckeren Essen mache ich mich wieder auf den Weg durch den Regen zu meinem Hotel. Der Wetterbericht im Fernsehen verheißt, soweit ich die Symbole richtig deute, nichts Gutes. Der Regen heute ist schon der erste Vorbote eines Taifuns, der auf Japan zusteuert. Morgen und übermorgen soll es regnen, erst für Donnerstag gibt es zumindest ein wenig Hoffnung auf Besserung. Das sind ja tolle Aussichten!