Bagan, 15.11.2012

Heute habe ich kein Programm und muss daher nicht früh aufstehen, allerdings befinde ich mich in einem bestimmten Rhythmus, sodass ich dennoch um 8:30 Uhr startklar bin. Als ich nach draußen gehe, traue ich meinen Augen kaum: Es hört gerade eben auf zu regnen, und das in Zentralmyanmar im November! Was für ein Glück, dass es gestern Morgen schöner war, denn die "Balloons over Bagan" können nur bei gutem Wetter starten. Falls es vor zwei Stunden schon geregnet haben sollte, ist die Veranstaltung bestimmt ausgefallen.

Den gesamten Tag über bleibt es stark bewölkt, und es fängt immer wieder an zu regnen. Ich habe zwar meinen Schirm dabei, hatte aber fest damit gerechnet, ihn hier als Sonnenschutz einsetzen zu müssen. Einen Vorteil hat das Wetter allerdings: Ich kann eine längere Tour zu Fuß unternehmen, ohne nennenswert ins Schwitzen zu kommen. Ich gehe einfach die lange Hauptstraße entlang, die von Alt-Bagan nach Nyaung U führt. Von hier aus ist es zum Htilominlo Pahto nicht weit, dem schönen großen Tempel aus dem 13. Jahrhundert. Ich statte dem Tempel einen kurzen Besuch ab, mache einige Fotos von weiteren, kleineren Sandsteintempeln und folge dann weiter der Straße. Inzwischen ist die "Lonely Planet World" samt entsprechendem Publikum und notwendiger Infrastruktur in Bagan angekommen. Die Lokale an der Straße haben riesengroße Schilder, auf denen komplett das internationale Backpacker Food aufgelistet ist: Pizza, Pasta, French Fries, Burger, Banana Pancakes, Musli with Milk und vieles mehr. Ein Straßenrestaurant schießt allerdings den Vogel ab, weil der Besitzer große Probleme mit der Rechtschreibung dieser komischen Sachen hat. Dort gibt es unter anderem Meuseli, Lessi, Franch Toast, Papalas und Tae. Guten Appetit! Zwischen den Auswüchsen der Neuzeit treiben Kinder Reifen, schießen mit Schleudern oder machen andere Spiele, die man bei uns nur aus Großmutters Erzählungen kennt. Ich komme schließlich in Nyaung U an und besichtige dort die Shwezigon Paya, die sehr schöne, auffällig vergoldete Pagode, die nicht nur für Buddhisten bedeutsam ist, sondern darüber hinaus einen berühmten Nat-Schrein beherbergt. Ein Besuch lohnt sich meiner Meinung nach immer, selbst wenn man schon hier war. Als ich die Pagode besichtige, höre ich auf einmal "Hi, Michael!" und bemerke Nay. Er ist mit seinen neuen Kunden hier, einer thailändischen Reisegruppe. Er fragt mich im Scherz, ob ich mich nicht anschließen wolle. Ich entgegne, ebenfalls im Scherz, dass er sich bestimmt schon darauf freue, alles in Thai und Englisch erklären zu dürfen. Dann verabschieden wir uns wieder voneinander.

Der Htilominlo-Tempel Guten Appetit! Sammelnde Novizen
Kinderspiele Die Shwezigon-Pagode Die Shwezigon-Pagode

Oben links: Der Htilominlo-Tempel. Oben mitte: Herr Ober, in meinem Tae schwimmen Meuseli, bitte bringen Sie mir einen neuen! Oben rechts: Sammelnde Novizen. Unten links: Kinderspiele aus der Prä-Konsolen-Zeit. Unten mitte und rechts: Die Shwezigon-Pagode.

Nach einiger Zeit des Verweilens in der schönen Pagode beschließe ich, den Rückweg zum Hotel anzutreten. Ich nehme den Weg über die Parallelstraße, die Anawratha Road, und mache dabei immer wieder Abstecher in die südliche Ebene, um dort einige interessante Tempel wiederzusehen. Nachdem ich kurz am Gupyaukgyi und Gubyauknge vorbeigeschaut habe, statte ich dem großen, schönen Sulamani Pahto aus dem 12. Jahrhundert einen Besuch ab. Der Tempel ist nicht nur von außen sehr attraktiv, sondern weist im Inneren gut erhaltene, interessante Wandgemälde auf, deren Anblick den Besuch jedes Mal von Neuem lohnenswert macht. Vor dem Tempel kann man sich überdies gut von den langen Fußmärschen ausruhen, indem man sich auf die niedrigen Begrenzungsmauern setzt. Nach einer längeren Pause gehe ich weiter zum riesigen, festungsartig wirkenden Dhammayangyi Pahto aus dem 12. Jahrhundert. Der Tempel wirkt von innen und außen düster und geheimnisvoll, so als hätte das Bauwerk etwas von dem Wesen seines als besonders grausam verrufenen Erbauers, König Narathu angenommen.

Sulamani Pahto Sulamani Pahto Dhammayangyi Pahto
Ananda Pahto Ananda Pahto Thatbyinnyu Pahto

Oben links und mitte: Sulamani Pahto. Oben rechts: Dhammayangyi Pahto. Unten links und mitte: Ananda Pahto. Unten rechts: Thatbyinnyu Pahto.

Heiterer wirkt meine nächste Station, der Ananda Pahto, meiner Meinung nach der schönste und perfekteste Tempel in Bagan, der etwa um 1100 erbaut wurde. Seine vier Eingangsbereiche bilden die exakte Form eines griechischen Kreuzes. Geht man einen der beiden Wandelgänge im Inneren entlang, gelangt man im Norden, Osten, Westen und Süden jeweils zu einer riesigen Buddhastatue aus vergoldetem Teakholz. Die Statuen im Norden und Süden sind die Originale, die anderen beiden Nachbildungen aus dem 17. Jahrhundert. Die Statue im Süden weist einen besonderen Effekt auf: Je nachdem, von welcher Stelle aus man sie betrachtet, wirkt Buddhas Gesicht eher traurig oder eher milde.

Ich verlasse den Tempel durch den Nordeingang, gehe an zahlreichen Souvenirständen vorbei, und wende mich meinem letzten Ziel zu, dem Thatbyinnyu Pahto. Er ist der höchste Tempel in Bagan, weiß statt ziegelrot, und wurde im 12. Jahrhundert erbaut. Innen gibt es nicht besonders viel zu sehen, einige Wandgemälde sind vorhanden, aber in keinem guten Zustand. Von außen ist der Tempel jedoch sehr schön. Inzwischen habe ich bestimmt 12 oder 14 Kilometer absolviert, und alle Tempel in der Ebene von Bagan zu besichtigen, dürfte eine Lebensaufgabe sein. Ich beschließe also, ins Hotel zurückzukehren, eine lange Pause bis zum Abendessen einzulegen, und hoffe, dass das regnerische Wetter bis dahin aufhört.

Als ich mich gegen 18:00 Uhr auf den Weg mache, ist es trocken. Ich gehe in eines der Restaurants in der Nähe und esse gemischtes gebratenes Gemüse, sauer-scharfes Schweinefleisch und Reis. Zusammen mit zwei Myanmar-Bier kostet mich das 11000 Kyat. Das Essen ist sehr gut und lässt mich den leichten Regen auf dem Weg in mein Resort besser überstehen. Damit endet mein Aufenthalt in Bagan, und damit im Kerngebiet des Bamar-Volkes. Morgen fliege ich in den Shan-Staat im Osten. Möge das Wetter dort besser sein. Groß ist meine Hoffnung jedoch nicht.