Kyaikhtiyo, 6.11.2012

Die gestrigen Gewitterwolken haben sich zum Glück komplett verzogen, deshalb beginnt mein Ausflug in die südlichen Provinzen Myanmars bei strahlend blauem Himmel. Wir fahren zuerst in Richtung Norden und biegen dann in der Nähe des Flughafens in Richtung Osten ab. Nachdem wir die quirligen Außenbezirke Yangons verlassen haben, führt uns die etwa 80 Kilometer weite Strecke nach Bagò an scheinbar endlosen Reisfeldern vorbei. Als wir uns der Stadt nähern, sehen wir die etwa 130 Meter hohe Shwemawdaw Pagode bereits, bevor wir überhaupt in die Außenbezirke kommen. Unsere erste Station ist allerdings nicht das gargantueske, vergoldete Bauwerk, sondern der im 15. Jahrhundert erbaute Kyaukpun-Tempel mit seinen vier sitzenden Buddhafiguren, die in die vier Himmelsrichtungen blicken. Die riesigen Statuen wurden der Legende nach von vier Schwestern gestiftet, die geschworen haben, ledig zu bleiben. Eine der Schwestern brach den Schwur und daraufhin stürzte selbstverständlich ihr Viertel des Bauwerkes bei einem Erdbeben ein. Inzwischen wurde es wiederaufgebaut.

Der Kyaukpun-Tempel Der Kyaukpun-Tempel Die Shwemawdaw-Pagode
Die Shwemawdaw-Pagode Die Shwemawdaw-Pagode Die Shwemawdaw-Pagode

Oben links und mitte: Der Kyaukpun-Tempel. Andere Bilder: Die Shwemawdaw-Pagode. Unten rechts: Beim Erdbeben von 1917 fiel die Spitze herunter.

Anschließend fahren wir in die Innenstadt und besuchen die Shwemawdaw-Pagode. Alles sieht hier so aus, wie ich es in Erinnerung habe. Ich bin froh, dass es erst etwa 9:30 Uhr ist. Um die Mittagszeit würde man sich beim Umrunden der Pagode (selbstverständlich im Uhrzeigersinn) die Fußsohlen verbrennen. Mit der Besichtigung der Pagode endet zunächst das Programm in Bagò. Der liegende Buddha und die Hinthagon-Pagode werden erst auf der Rückfahrt nach Yangon folgen.

Wir fahren nun weiter, etwa 90 Kilometer durch flaches Land. In der Provinz Waw kommen wir durch viele Fischerdörfer, in denen auf großen Plattformen Fische getrocknet werden, was zu authentischen, ehrlichen Gerüchen führt. Als wir die große Brücke an der Grenze zum Mon-Staat überqueren, finden dieses Mal keine Grenzkontrollen mehr statt. Gegen Ende unserer Strecke wird die Landschaft gebirgig. Bald schon biegen wir von der Landstraße ab und fahren nach Kyaikto. Von hier aus geht es nach Kyaikhtiyo (Tschaik-ti-yo ausgesprochen), zum berühmten "Goldenen Felsen". Im Tal essen wir zu Mittag. Es gibt ein typisches Myanmar-Menü aus der Gegend mit zwei verschiedenen Sojabohnengerichten, einem Gemüsegericht, drei kleinen gegrillten Fischen, einem Schweinefleisch- und einem Hirschfleisch-Sepyan sowie einer Schüssel Reis. Es ist kein kulinarischer Meilenstein, aber man wird satt und zahlt inklusive eines Tees (für Kyaw) und eines Myanmar-Biers (für mich) 10000 Kyat. Nach dem Essen besteigen Kyaw und ich (nur mit Handgepäck) einen Lastwagen, der uns die sehr steile Straße hinauf zur Bergstation bringt. Kyaw und ich haben die begehrten Plätze im Führerhaus ergattert, während die zahlreichen anderen Passagiere auf Bänken, die mit der offenen Ladefläche verschraubt sind, Platz nehmen müssen.

Fischerdorf bei Waw Landschaft am Goldenen Felsen

Links: Fischerdorf bei Waw. Rechts: Landschaft am Goldenen Felsen.

Nach der kurvenreichen Fahrt, die Motor und Getriebe des Lastwagens alles abverlangt, wird unser Gepäck einer Trägerin anvertraut. Kyaw und ich gehen zu Fuß die Straße hoch, die hier selbst für den Lastwagen zu steil ist. An einigen Stellen nehmen wir Abkürzungen über Treppen, an deren Seiten sich zahlreiche Stände befinden, die traditionelle Arzneimittel verkaufen. Es werden unter anderem Bärentatzen, ganze Hirschköpfe, in Schnaps eingelegte Schlangen und viele andere Produkte aus Pflanzen und Tieren, die vermutlich auf der roten Liste stehen, angeboten. Völlig schweißgebadet kommen Kyaw und ich schließlich an unserem Ziel, dem Mountain Top Hotel an, das fast unmittelbar am Eingang zum Goldenen Felsen liegt. Nach dem Einchecken wird erst einmal eine lange Dusch- und Ruhepause eingelegt.

Um 16:00 Uhr legen Kyaw und ich schließlich den kurzen Weg zur Tempelanlage zurück. Zum Glück beginnt die Pilgersaison gerade erst, es ist also relativ einfach, gute Plätze zum Besichtigen und Fotografieren zu finden. Später in der Pilgersaison ist, vor allem an Wochenenden, die gesamte Plattform oft überfüllt. Bis zum Sonnenuntergang stelle ich keinen Unterschied zu meinen letzten Besuchen fest, außer dass man eine verglaste Gebetshalle gebaut hat. Nachdem das Zentralgestirn innerhalb von kaum zweieinhalb Minuten unter dem Horizont verschwunden ist, fühlt man sich in der Anlage eher wie auf einem Weihnachtsmarkt. Alles ist mit bunten, blinkenden Lichterketten geschmückt, außer dem spektakulären Felsen selbst. Dieser wird lediglich unermüdlich von männlichen Pilgern (die weiblichen dürfen nicht) mit unzähligen Blattgoldplättchen beklebt.

Je dunkler es wird, desto mehr Pilger kommen an. Viele Familien mit Kindern haben ihre Verpflegung mitgebracht, die Erwachsenen setzen sich auf die Plattform und beten, die Kinder spielen zwischen ihnen. Vor allem Elektroautos mit blinkenden LEDs sind offensichtlich gerade ein besonders angesagtes Spielzeug. Die Erwachsenen können sich über das Beten hinaus ebenfalls beschäftigen: Das Mobilfunksignal ist ziemlich gut. Trotz der Kollateralschäden der moderner werdenden Zivilisation ist die Atmosphäre hier oben weiterhin einzigartig, und es ist faszinierend zu sehen, wie wenig sich diejenigen unter den Einheimischen, welche nicht nur zu ihrer Unterhaltung an diesem Ort weilen, davon stören lassen.

Am Goldenen Felsen Am Goldenen Felsen Am Goldenen Felsen
Am Goldenen Felsen Am Goldenen Felsen Am Goldenen Felsen
Am Goldenen Felsen Am Goldenen Felsen Am Goldenen Felsen

Am Goldenen Felsen. Das eigentümliche Heiligtum wird selbstverständlich nur von der Buddha-Haarreliquie im Inneren im Gleichgewicht gehalten. Oben links: Spielstunde. Die Flecken im Gesicht des Jungen kommen von der Thanaka-Paste, einem in Myanmar sehr beliebten Hautpflegemittel aus der geriebenen Rinde eines Baumes. Mitte rechts: Männer kleben Blattgoldplättchen auf das Heiligtum. Unten links: Discoteca!

Etwa eine Stunde nach Sonnenuntergang, als es empfindlich kühl geworden ist, gehen Kyaw und ich zurück zum Hotel. Die kulinarische Szene von Kyaikhtiyo ist für ihr bescheidenes Niveau berüchtigt, deshalb esse ich im Hotelrestaurant. Ich bestelle ein Myanmar-Menü und ein Myanmar-Bier, Kyaw bestellt für sich ein Bratreisgericht sowie eine Linsensuppe und isst bei mir eher symbolisch mit. Das Menü besteht aus einem Schweinefleisch-Sepyan mit Kartoffeln, einem Hühnchen-Sepyan, einem Gericht aus gemischtem Gemüse, Bohnenmehl-Chips, die wie Kroepoek aussehen, aber keinen Krabbengeschmack besitzen, einer Linsensuppe und selbstverständlich Reis. Da die Sepyan-Gerichte warm (nicht heiß, ich will ja nicht übermütig werden) sind, schmecken sie ganz ordentlich. Man kann in Myanmar sehr gut chinesisch, thailändisch oder indisch essen, die einheimische Küche ist dagegen oft verbesserungsfähig. Sei's drum. Ich bin jedenfalls ordentlich satt, lade Kyaw ein und komme dennoch nicht über 16 $ hinaus. Kyat sind hier offenbar nur als Wechselgeld beliebt. Somit endet ein weiterer Abend in Myanmar. Morgen um 8:00 Uhr geht es zurück ins Tal und dann nach Mawlamyine, das die kulinarische Hauptstadt des Landes sein soll. Ich bin schon sehr gespannt.